Völlig richtig: Apple 1 – Nokia 0, aber warum?

Andreas, ich möchte Deine Ausführungen zum Vergleich der beiden Bilanzen Deines Blogeintrags „Apple 1 – Nokia 0“ zum Anlass nehmen, um etwas Ursachenforschung für das verlorene Spiel seitens Nokia zu betreiben.

Ein Blick in die Geschichte des Unternehmens gibt meines Erachtens gut Aufschluss darüber, warum es so kommen musste wie es gekommen ist. Ich stelle voran: Keine Firma ist davor gefeit, durch eine Aneinanderreihung von strategischen Fehlern, mangelndem Marktgespür, fehlenden Visionen und schwachen Unternehmenslenkern dort zu landen wo sich derzeit Nokia befindet: Nämlich ziemlich weit unten in der Hackordnung der Anbieter von TK-Produkten.

Wenn ich schreibe, dass kein Unternehmen vor einem Abstieg aus der Top-Liga in die Kreisklasse gefeit ist, dann sollte ich das auch natürlich auch namentlich belegen. Um in der Branche und somit vergleichbar zu bleiben sei hier Motorola als Beleg genannt.

Motorola legte, beginnend ab 1994, einen kometenhaften Aufstieg hin, die Aktienkurse stiegen und stiegen und es gab weit und breit kein Unternehmen, das Motorola das Zepter im Handy-Markt streitig hätte machen können. Doch schon im Jahr 2000 kollabierte der weltweite Marktanteil der Company von sagenhaften 45 Prozent auf desaströse 15 Prozent. Von Null auf Hundert und zurück in sechs Jahren – so schnell geht das.

Nokia 770 Internet Tablet aus dem Jahr 2005. Der durchschlagende Markerfolg blieb aus.

In diesen sechs Jahren hatte ein finnisches Unternehmen geschafft, mit völlig neuen Produkt- und Designideen, ästhetischer, innovativer und vor allem für jedermann erschwinglicher Hardware gekoppelt mit dem damals benutzerfreundlichsten Betriebssystem für „dumme“ Handys dem Marktriesen Motorola den Rang abgelaufen. Im Jahr 2000 konnte Nokia einen Marktanteil von weltweit 31 Prozent vorweisen. Das Unternehmen fokussierte sich zu 100 Prozent auf das Handy-Geschäft, war mutig bei der Einführung neuer Technologien (Stichwort 2G) und beherrschte die Klaviatur des supply chain management genauso gut wie die der Markenbildung. Alles subsummierte sich unter dem Claim der gleichzeitig zum Erfolgsrezept wurde: „connecting people“. Nokia tat genau das.

Motorola indes verpasste den Anschluss, erfand selbstverliebt technische Machbarkeiten (leider alle unverkäuflich), bot dem Markt – von einigen Ausnahmen wie dem „Razr“ abgesehen – vergleichsweise altbackene Hardware an und zerrieb sich selbst. Das Unternehmen trat eher mit politischen Ränkespielen innerhalb der Managements in die öffentliche Erscheinung denn mit irgendwelchen wegweisenden Produkten. Eine weitestgehend zerfaserte und diffuse Marketingstrategie tat das Übrige: Erholt hat sich der einstige Überflieger bis heute nicht – Motorola sitzt noch immer am Katzentisch, weltweit gesehen zumindest.

Auch Nokias kometenhaften Aufstieg folgt der Absturz ins Bodenlose. Entweder vom Erfolgsdusel völlig vernebelt, jedenfalls ohne unternehmerischen Weitblick, haben die Finnen eines nicht kommen sehen: Das Ende des Hardware-Zeitalters und der gleichzeitige Übergang ins Software-Zeitalter. Für mich einer der Hauptgründe, warum Nokias Glanz zusehends verblasst und Google links und Apple rechts an den Finnen vorbeizieht. Hardware ist längst nicht mehr der Erfolgsfaktor, um in desem Markt die erste Geige zu spielen. Alle Formfaktoren sind letztlich durchdekliniert worden. Welche bei der Kundschaft ankommen und welche nicht, ist längst ausgemacht. Sich hier weiter auszutoben macht keinen Sinn mehr. Sieht man sich Nokias aktuelle und völlig ausgeuferte Produktpalette an (derzeit 51 Modelle!), wird klar, dass diese Erkenntnis die Verantwortlichen in Espoo nicht erreicht hat.

Geld macht Nokia in Indien und China. Europa fällt ab, USA spielt keine Rolle.

Allenfalls für Märkte in denen einfache „featured phones“ als massentaugliche, günstige Hardware abgesetzt werden kann taugen die Produkte noch. Der Blick in den Geschäftsbericht bestätigt dies. Nokias Hauptabsatzmärkte sind Indien und China. Und was dabei verdient ist, lässt sich leicht erahnen: So gut wie nichts mehr, die Margen sind so hauchdünn (Experten sagen 50 bis 60 Euro pro Gerät im Schnitt), dass Nokias Umsätze und Erträge wie von Dir beschrieben rasant auf Talfahrt sind. Mal zum Vergleich: Apple fährt mit seinem iPhone derzeit Margen von über 50(!) Prozent ein, das sind irgendwo zwischen 250 bis gut 300 Euro pro verkauftem Gerät. Da liegen Welten dazwischen.

Zahlt sich das Invest aus?

Und dafür steckte Nokia 2010 vier Milliarden Dollar in Forschung und Entwicklung? Und warum kommt Apple für diesen Posten mit 1,78 Milliarden Dollar aus? Da wundert sich der Fachmann und der Laie staunt. Kurzum: Da stimmt etwas vorne und hinten nicht.

„Innovation has nothing to do with how many R&D dollars you have. When Apple came up with the Mac, IBM was spending at least 100 times more on R&D. It’s not about money. It’s about the people you have, how you’re led, and how much you get it.“ (Steve Jobs in Fortune; Ausgabe vom 09.11.1998)

Doch zurück zum Thema Software, Service und Inhalte: Denn darin liegt meiner Meinung nach der Schlüssel zum Erfolg in diesem Geschäft (Tablet-Markt ist noch spannender, aber den sehen wir uns wann anders mal genauer an).

Klotzen statt kleckern: Nokia auf Platz 5 der Weltrangliste in Sachen Forschungsgelder.

Der Markt verlangt schlaue Geräte, Smartphones eben. Und Schlauheit ist weniger ein Hardware-Thema als vielmehr ein Software-, Service-und Content-Thema. Und hier hat Nokia nicht wirklich was zu bieten. Fangen wir mit dem Betriebsystem an: Symbian war zweifelsohne mal ein innovatives und vor Jahren mit Blick auf den Wettbewerb sicherlich einzigartiges Betriebssystem. Es beherrschte Kalenderfunktion, konnte Kontakte synchronisieren und selbst E-Mails gingen so lala. Thema Software (im Neusprech Apps genannt): In Nokias App- und Music-Store „Ovi“ einzukaufen ist so spannend wie Erlebnisshopping beim Erwerb fleischfarbener Stützstrümpfe. Und coole Services? Mal davon abgesehen, dass der Eigentümer eines Nokia-Handys seine Kontakte in deren Cloud pumpen kann um danach per Internet darauf zugreifen zu können, ist Fehlanzeige wohl die treffende Beschreibung für Nokias Angebote in dieser Richtung. Und dass die Finnen zusammen mit ihren Tochterunternehmen Navteq irgendetwas auf die Beine gestellt hätten und von dem jeder redet wüsste ich auch nicht.

Kurzum: Nokia hat noch nie etwas von Software verstanden. Nokia heißt Hardware. Und Hardware heißt in diesem Markt inzwischen den Platz in der zweiten, dritten oder gar letzten Reihe einzunehmen. In welcher Reihe Nokia es sich bequem machen muss, wird sich noch zeigen. Nokias Platzanweiser heißt ja bekanntlich Microsoft. Und an dieser Stelle, Andreas, teile ich deine Zweifel in Sachen Zukunftsfähigkeit des Unternehmens nicht nur, ich wage sogar zu behaupten, dass Nokia sich mit der Rolle eines Steigbügelhalters für Microsoft zufrieden geben werden muss. Als Hardware-Lieferant halt. Als das was Nokia eben schon immer war.

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