HP will Geld zurück: Etailer sollen WKZ erstatten – das steckt dahinter

Weil sie Produkte an Händler anstatt an Endkunden vermarktet haben, hat HP von großen, mittleren und kleinen Etailern Marketinggeld – sogenannte Werbekostenzuschüsse oder kurz WKZ – zurück gefordert. Ein ungewöhnlicher Schritt, aber ein wichtiger Beitrag zu sauberem Channelgeschäft.

„Was haben die eigentlich für Konditionen? Warum können die billiger anbieten als wir Waren einkaufen können“, Kopfschütteln bei zwei Einkaufsverantwortlichen eines großen Systemhauses. Wir treffen uns auf der Gemeinschaftsveranstaltung eines Distributors und seines größten Herstellers in historischer Umgebung. „Was die Etailer da treiben können wir nicht nachvollziehen, und beim Hersteller kann es uns auch niemand erklären“. Das war im Sommer 2009. Inzwischen ist die Antwort ein bisschen näher gerückt. Beigetragen hat die interne Revision von Hersteller Hewlett-Packard.

End User Verification heißt die Abteilung, die die Rechtmäßigkeit von Konditionen, Rabatten und WKZs überprüft. Festgestellt wurden Unregelmäßigkeiten: Etailer erhielten Marketinggeld für Endkundenaktionen, die Käufer der Produkte waren in vielen Fällen Fachhändler.

„Ist doch nicht so schlimm. Verkauft ist verkauft“, könnte man jetzt sagen. Um zu klären, warum das doch einen Unterschied macht, ein kurzer Ausflug in die staubtrockene Theorie des Channelvertriebs.

Die Fließgeschwindigkeit der Produkte im Kanal ist ganz erheblich (aber nicht nur) vom Faktor Preis abhängig. Je günstiger ein Produkt im Vergleich zu Mitbewerbsprodukten oder zum selben Produkt beim Mitbewerber ist, desto schneller fließt es ab. Unterschiedliche Kanäle können unterschiedlichen Preisdruck vertragen, wenn die Unterscheidungsmerkmale der Produkte groß genug (Festplatte verbaut im PC oder Festplatte in der Retail-Verpackung), oder wenn die Preisdifferenzen nur mäßig groß sind.

Je höher die Preisdifferenz ähnlicher oder identischer Produkte in unterschiedlichen Kanälen, desto stärker schwillt der Produktstrom im günstigeren Kanal an. Das geht so lange, bis die Dämme brechen und die Produkte sich über Kanalgrenzen hinweg verteilen. Sprich, Angehörige eines Kanals fangen an, sich in einem anderen Kanal zu bedienen.

Dabei kommt es zu Verwerfungen für alle Beteiligten: Wer kanaltreu arbeitet ist im Nachteil, weil er zu teuer anbietet. Das gilt vor allem für die zweite Stufe im Kanal, den Handel. Die erste Stufe im Kanal, die Distribution, ist plötzlich überhaupt nicht mehr konkurrenzfähig, weil sich ein Teil der zweiten Stufe jenseits der Kanalgrenze bedient.

Das geschieht seit vielen Jahren täglich im ITK-Channel. Das Preisgefälle ist ein wichtiger Grund, warum sich seit mindestens fünf Jahren Fachhändler jeglicher Couleur statt in der Distribution im Etail bedienen. Die wichtigsten Einkaufsquellen: Amazon und mit einigem Abstand notebooksbilliger.de. Mit weitem Abstand folgen dann viele andere Etailer.

Im Unterschied zur landläufigen Meinung geben Hersteller ihre Produkte nicht generell billiger an Etailer ab als an den Fachhandel. Das kommt zwar vor, weil Etailer häufig größere Mengen abnehmen, was in Zeiten von Umsatzdruck und vollen Lagern hilfreich ist. Es ist aber nicht die Regel. Oder sollte es nicht sein. Immerhin sind seit Jahren konkrete Zahlen über die Etail-Nutzung des Fachhandels bekannt. Wer behauptet, der Etail sei ein getrennter Kanal ohne Auswirkungen auf Distribution und stationären Fachhandel, der ignoriert seit Jahren hartnäckig Presseberichte, die das Gegenteil zeigen, wie etwa hier bei CRN.

Problematischer als der Einkaufspreis für Etailer können die Werbekostenzuschüsse sein, die Hersteller an ihre Partner vergeben. WKZs sollen den Partner in die Lage versetzen, die Produkte des Herstellers bei ihren Kunden zu bewerben. Das Ziel ist, diese besser abverkaufen zu können.

„Was könnte bessere Werbung für ein Produkt sein als ein unschlagbarer Preis“, sagen sich die Pfiffigen und rechnen die WKZs in den Preis ein. Unschlagbare Preise ziehen jedoch allerlei Interessenten an, für die die Ware nicht gedacht ist. Zum Beispiel Fachhändler, die lieber beim Etailer kaufen, weil die Ware da billiger ist, weil der WKZ in den Preis einkalkuliert wurde.

Das ist natürlich nicht im Sinne des Herstellers. Während sich vielleicht beim Hersteller der ein oder andere Vertriebsmitarbeiter freut, dass er ein Lagerproblem „elegant“ gelöst hat, reagiert die Revision – so vorhanden – verschnupft. Es kommt zur Rückforderung nicht zweckgemäß verwendeter Gelder. Für die betroffenen Händler sind diese Forderungen bestenfalls unangenehm, schlimmstenfalls lebensbedrohlich.

Auch wenn das Geschrei jetzt groß ist: Der Schritt von HP ist völlig konsequent und wäre vermutlich schon längst überfällig gewesen. Wer mault, will nicht wirklich wissen, was sauberes, profitables Channelgeschäft ausmacht.

Jetzt könnte ich an dieser Stelle noch recht viel über die Positionierung der Produkte anhand von Zielgruppen und Features schreiben oder die Koppelung von regulärer Distribution an die Konditionen im Fachhandelsprogramm. Fakt ist: Stimmt das Preisgefälle nicht, sind all diese Maßnahmen Schall und Rauch und im Channel entstehen Chaos und Unfrieden.

 

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