Das kleine Einmaleins des indirekten Vertriebs

Anbieter A will ein neues Produkt auf den Markt bringen. Sein Produkt ist eine gute Ergänzung zu bereits im Markt etablierten Lösungen. Diese Lösungen werden und wurden von Händlern verkauft. Daraus schließt er, dass es existente Beziehungen zwischen Händlern die diese Lösung verkauft haben und somit seiner potentiellen Klientel geben muss.

Als Markteinsteiger fragt sich Anbieter A deshalb nun, ob er sein Produkt besser über den Handel vertreiben oder direkt verkaufen soll. Er kommt auf der Hausmese eines Distis zufällig mit Anbieter B ins Gespräch. Anbieter B ist ein seit vielen Jahren etabliertes Unternehmen im Markt, das seine Produkte ausnahmslos über den Handel distribuiert. Lassen Sie uns Mäuschen spielen und dem  „Vortrag“ des Anbieters B lauschen den er  dem Anbieter A hält:

„Die passenden Umstände vorausgesetzt, ist der Handel der richtige Hebel für Ihr Geschäft. Ich sehe folgende Vorteile:

  • Sie haben verhältnismäßig geringe Anlaufkosten für den Aufbau eines indirekten Vertriebs. Sie müssen Händler nur dann provisionieren, wenn sie auch etwas verkaufen. Stellen Sie sich vor, welches Geld Sie in die Hand nehmen müssen, wenn sie selbst eine Vertriebsmannschaft aufbauen wollen. Sie müssen passende Leute finden, ausbilden, bezahlen und auch natürlich auch führen.
  • Ihr Produkt wirft letztlich zu wenig  Marge ab. Denken Sie daran: Gute Verkäufer wollen bezahlt werden. Es muss also brutto einiges von Ihrem Umsatz hängen bleiben, um die vollen, tatsächlichen Kosten eines Verkäufers decken zu können. Handelsunternehmen haben dieses Problem quasi nicht. Dadurch, dass sie von Haus aus auf ein viel größeres Portfolio zurückgreifen können und wie Sie selber sagten in der Regel Lösungen verkaufen, können sie immer höhere Bruttogewinne erwirtschaften als Sie mit ihrem einzigen Produkt das Sie anbieten.
  • Den Vertrieb über den Handel können Sie besser skalieren. Im Handel läuft, wenn Sie wollen, bereits genug Verkaufspersonal durch die Gegend das schon bezahlt ist. Wenn Ihre Geschäfte wachsen, holen Sie einfach mehr Händler an Bord. Wenn der Markt richtig anzieht, müssen Sie nicht gleich die Grätsche machen, weil Sie keine Sales-Leute finden, die Sie quasi über Nacht einstellen müssten um das Geschäft aufzufangen. Dieser Skaleneffekt macht sich auch im umgekehrten Fall aus: Läuft ihr Geschäft mal nicht so gut, ist die Zahl der Leute die Sie rauswerfen müssen überschaubar.
  • Und denken Sie an die bestehenden Kundenbeziehungen der Händler. Ich sage Ihnen eines: Die sind Gold wert, ja unbezahlbar!

Ich will Ihnen aber die Nachteile nicht verheimlichen, die ich beim indirekten Vertrieb sehe:

  • Es ist verdammt schwer, die Aufmerksamkeit des Handels zu gewinnen. Es mag gerne sein, dass Sie eine Partnerschaft mit einem Händler besiegeln; doch solange dessen Vertriebsmannschaft nicht anfängt Ihr Produkt aktiv zu verkaufen, ist der Partnervertrag nur ein Stück Papier. Es gibt meiner Meinung nach nur zwei Wege wie Sie die Aufmerksamkeit der Händler bekommen: Mit Geld oder mit einem Produkt, das von großer Marktbedeutung ist. Übrigens genau in dieser Reihenfolge. Also: Wenn sich Ihr Produkt gut und einfach zu einem ordentlichen Preis verkaufen lässt, dann bedeutet das bare Münze für einen Verkäufer. Das ist wie gesagt die eine Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu bekommen. Der zweite Weg führt  – überspitzt gesagt – nur darüber, die Händler solange mit Verkaufstrainings, Incentives und Marketing zu bombardieren, bis Ihnen nur noch Ihr Produkt einfällt sobald Sie einen Kunden vor sich haben.
  • Der Handel lässt sich kaum kontrollieren. Sie werden merken, dass Reseller sich ungern in die Karten blicken lassen. Glauben Sie ja nicht, dass Ihnen Ihre künftigen Partner bereitwillig konkrete Daten über ihre Kunden liefern, noch Ihnen sagen mit wem sie alles im Geschäft sind. Das bedeutet: Als Hersteller haben Sie wenig Nähe zum Kunden und damit wenig Nähe zum Markt. Im besten Falle können Sie mit Händlern einen Business-Plan und einen Forecast verabreden, aber wirkliche Kontrollmöglichkeiten sind das nicht.
  • Auf lange Sicht kommt Ihnen der Vertrieb über den Handel teuer vor. Das ist völlig normal. Aber ich sage Ihnen: Das ist mehr ein Gefühl, denn Realität. Dieses Gefühl kann aber sehr belastend werden – für beide Seiten.
  • Wenn ihr Unternehmen größer wird, sollten Sie mit Channel-Konflikten rechnen. Wer mit vielen Resellern zusammenarbeitet, muss damit rechnen, dass sie sich ab und an gegenseitig auf die Füße treten. Noch problematischer ist die Situation, wenn man selbst noch einen Direktvertrieb aufbaut. Damit muss man umzugehen lernen. Diese Problematik ist den Händlern aber wohl bekannt und in der Regel lassen sich gemeinsam gangbare Wege finden.
Neben all diesen Vor- und Nachteilen möchte ich Ihnen noch ein paar Überlegungen an die Hand geben:
  • Händler müssen betreut werden. Die Zusammenarbeit mit dem Handel ist kein Selbstläufer. Regelmäßiger Kontakt, Training seines Vertriebspersonals und motivierende Maßnahmen sind unerlässlich um den Verkauf Ihres Produktes zu fördern.
  • Auch Sie als Hersteller müssen verkaufen. Händler sind wenig zu begeistern, wenn sie nicht sehen, dass auch der Hersteller das Produkt „verkauft“. Ihnen bei den ersten Verkaufsgesprächen ihres Produktes helfend zur Seite zu stehen gibt dem Händler ein gutes Gefühl und er wird sich viel Mühe geben.
  • Bilden Sie Ihre Händler gut aus. Es mag banal klingen: Aber wenn der Händler nicht weiß für welche Zielgruppe das Produkt genau gedacht ist, wie der typische Verkaufsprozess dafür aussieht, welche Probleme typischerweise auftauchen können und wie sie gelöst werden, welche Verkaufsargumente greifen und warum das Produkt besser als das des Mitbewerbers ist, dann wird es schwierig. All das schildern Sie am besten an konkreten, bereits über die Bühne gegangenen Verkaufserfolgen. Was wenig fruchtet ist theoretisches Blabla und Marketinggeschwurbel.

Tja, dann lassen Sie sich das alles mal durch den Kopf gehen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihren Überlegungen und den hoffentlich richtigen Entscheidungen! Ich jedenfalls bin vom indirekten Vertrieb völlig überzeugt.“

Ende des Gesprächs. Meinungen dazu?

 

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