Drei Überlegungen zur Zukunft der Distribution

Dass es in der Distribution so nicht weitergehen kann, darüber sind sich alle einig. Darüber wie es weitergehen soll und wie das genau umzusetzen ist, gehen die Meinungen auseinander.

„Wir nennen unsere Hersteller Kunden“, sagt Gustavo Möller-Hergt, CEO der Also Actebis AG und benennt damit eine der fundamentalen Veränderungen in seinem Unternehmen.

Die Theorie ist einfach: Distribution ist autorisierter Großhandel. Distributoren kaufen Ware bei Herstellern ein und verkaufen sie an eine möglichst große Zahl Händler, die dann an Endkunden weiterverkaufen. Das die jahrzehntelange Praxis im Channel.

Weil IT-Geräte teuer waren, die Handelsspannen hoch und die Nachfrage enorm, funktionierte das Modell großartig. Distribution verdiente sehr viel Geld und generierte starke Cashflows. Der Produktfluss blieb selten zweistufig. Es entwickelte sich ein Dickicht an Subdistribution und unterschiedlichsten Formen des Zwischenhandels, der ebenfalls viel Geld verdiente und starke Cashflows generierte.

Seit dieser Zeit sind die Margen beständig verfallen. Die Zahl der verschickten Pakete hat bei sinkenden mittleren Auftragshöhen zugenommen, wie überhaupt die Komplexität des Geschäfts.

Wenn die mit den Herstellern ausgehandelten „Special“-Projektpreise anschließend von der Distribution nieder gedumpt werden, um „das Projekt zu gewinnen“, kann die Welt entweder nicht so schlecht sein wie behauptet oder sie ist schlicht nicht in Ordnung.

„Sie ist nicht in Ordnung“, sagt Möller-Hergt und stellt Also Actebis, ein Distributionskoloss, hervorgegangen aus drei Distributoren Also, Actebis und Peacock, auf ein neues Modell um. Das ist nicht ganz einfach, denn in Soest (Actebis) und Paderborn (Peacock) wurde in den Achtzigern der IT-Großhandel erfunden (und natürlich auch in München aber hier vereinfache ich jetzt mal etwas, damit der Punkt ganz klar wird). Dabei ging es um Handel mit Produkten in großem Stil oder etwas flapsig ausgedrückt um „Kistenschieben“. Heute nennt sich das „transactional“ business.

„Im transactional Business kann man gutes Geld verdienen“, sagt Gustavo Möller-Hergt, „allerdings nur wenn man  beständig an Größe gewinnt und gleichzeitig OPEX reduziert.“ Und bei jedem Geschäft genau auf dessen Profitabilität achtet. Die logische und hochprofitable Weiterentwicklung findet an anderer Stelle statt.

Wider die Gegensätze in der Supply Chain

Im Handelsmodell stehen sich Hersteller und Distributor gegenüber. Hier der „Lieferant“, drüben der Distributor und feilschen um Preise, Konditionen, Mengen und Werbekostenzuschüsse. Es geht um gegenseitiges Pressen: „Du musst mir mehr WKZ geben, weil ich Dein Kunde bin!“ Wer kennt diesen Satz nicht. Auspressen des Lieferanten, Reinpressen der Waren ins Distributorenlager und in den Kanal.

Jede Seite fühlt sich übervorteilt, echte Partnerschaften entstehen selten oder zerbrechen zum Quartalsende. Ändert sich das Preisgefüge im Kanal geht es beim Distributor schnell um die existenzielle Frage der Rentabilität und „Freundschaften“ gehen in die Brüche. Sehr schön hat das kürzlich Torsten Belverato geschäftsführender Gesellschafter der b.com auf den Punkt gebracht:

„Wir bedienen uns natürlich in den Kanälen, die die Hersteller gerade sponsoren.“

b.com versteht sich als klassischer Großhändler. „Alle Geschäfte, die wir machen müssen wirtschaftlich sinnvoll sein“, sagt Belverato und verzichtet gerne auch mal auf Umsatz, wenn der nicht profitabel ist. Mehr vom Selben, das allerdings solide kalkuliert und in stabilen (Fachhandels-) Kundenbeziehungen, das ist die Devise von b.com.

Die Zukunft der Distribution liegt in der Dienstleistung

Die Zukunft der Distribution liegt nicht im Handel, sondern in der Dienstleistung, so die Überzeugung von Möller-Hergt. In der Wertschöpfungskette vom Hersteller zum Endkunden schlummert reichlich Geschäftspotenzial wenn man sie als Dienstleistungs- und eben nicht als Handelsbeziehung begreift. Denn für die Erbringung der unterschiedlichsten Dienstleistungen – „integrierte Dienstleistungen entlang der Wertschöpfungskette“ nennt es etwa das Bertelsmann-Tochterunternehmen Arvato – bezahlen IT-Hersteller viel Geld.

Dass sich ein Distributor als wesentlicher Teil der Wertschöpfungskette in einer sehr guten Ausgangssituation befindet, wesentliche Dienstleistungen zu übernehmen und so weit profitablere Umsätze zu generieren als im Großhandel, davon ist man in Soest und Straubing überzeugt. Davon, dass ein funktionierendes Großhandelsgeschäft die Grundlage für die Entwicklung weiterer Geschäftsfelder ist, allerdings auch. „Die Broadliner werden nichts tun, was ihr Kerngeschäft schwächt“, um noch einmal Torsten Belverato zu bemühen.

Nur – und das der feine aber grundlegende Unterschied – ist das als Dienstleistung zu verstehen: „Beschaffungsmanagement“ – um in der Arvato-Terminologie zu bleiben – im Verhältnis zu den Fachhandelskunden und „Supply-Chain-Management“ im Herstellerverhältnis.

Dass das in einer Organisation, die aus dem Handelsgedanken geboren wurde und diesen tief in ihrer Unternehmenskultur verankert hat, nur einem langwierigen Prozess kleiner Schritte gehen kann und es großer Anstrengungen bedarf, diesen am Laufen zu halten, ist klar. So resümiert Möller-Hergt: „Wir nennen unsere Hersteller Kunden. Noch nicht alle Mitarbeiter tun das, aber es werden langsam immer mehr.“

Mit den Veränderungen im Management ist der Umdenkprozess nicht nur angestoßen, sondern auch in der Organisation verankert. Es wird spannend sein, zu beobachten, wie sich Also Actebis entwickelt und wie die Mitbewerber reagieren. Oder um noch einmal Möller-Hergt zu zitieren: „Es gibt im Geschäftsleben keine Beweise. Dinge können funktionieren oder auch nicht.“

 

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